Um ein möglichst robustes Genprofil für LRR zu identifizieren, wurde eine Gen-Set-Anreicherungsanalyse (GSEA) an dem Anteil der SweBCG91-Trainingskohorte durchgeführt, der keine adjuvante Strahlentherapie erhielt (n = 131). Ein hohes Risiko war mit Zellzyklus und Proliferation und ein niedriges Risiko mit Genwegen des Immunsystems verbunden. Anhand eines elastischen Netzregressionsmodells wurde ein Genprofil POLAR („profile for the omission of local adjuvant radiation“) mit 16 Genen identifiziert, welches Patientinnen nach hohem bzw. niedrigem Risiko für ein Lokalrezidiv unterteilen konnte.
Patientinnen der SweBCG91-Kohorte, die im POLAR-Profil mit einem niedrigen Risiko eingestuft wurden, hatten eine kumulative Inzidenz von LRR von unter 10% nach 10 Jahren, unabhängig davon, ob sie Strahlentherapie erhielten oder nicht: 6% [2–16] ohne und 5% [1–13] mit RT bei einer HR von 1,1 [0,39–3,4]. Der Nutzen der Strahlentherapie war in dieser Gruppe statistisch nicht signifikant (p = 0,81). Bei den Patientinnen mit einem hohen Risiko nach POLAR-Auswertung führte die Strahlentherapie zu einer signifikanten Reduktion des lokalen Rückfallrisikos (10-Jahres-Inzidenz von LRR ohne RT vs. RT, HR = 0,43 [0,24–0,78], p = 0,0055).
In der Kohorte mit Patientinnen der Princess-Margaret-Studie, die nach brusterhaltender Operation nur mit Tamoxifen behandelt wurden und von POLAR als „niedriges“ Risiko identifiziert wurden, betrug die kumulative Inzidenz der LRR nach 10 Jahren ohne RT 7% (0–27) und mit RT 13% (2–34). Bei Patientinnen mit „hohem“ Risiko betrug die kumulative Inzidenz von LRR nach 10 Jahren ohne RT 22% (10–36) und mit RT 8% (2–20), mit einem signifikanten Nutzen der Strahlentherapie (HR 0,25 [0,07–0,92], p = 0,038).
Kommentar
Die Studie nutzt vorhandene Daten aus prospektiven Studien mit langer Nachbeobachtungszeit zur Wirkung der adjuvanten Strahlentherapie auf die Rezidivrate. Die Methode zur Entwicklung des prognostischen Genexpressionsprofils verbessert höchstwahrscheinlich dessen Robustheit deutlich. So war das POLAR-Genprofil signifikant für die Prognose der Rezidivraten im unbestrahlten Teil der schwedischen Validierungskohorte, während ein ähnlicher Trend in der kanadischen Kohorte keine Signifikanz erreichte. In beiden Validierungskohorten profitierten Patientinnen mit hohem Rezidivrisiko von der RT, nicht aber die Patientinnen mit niedrigem Rezidivrisiko.
Allerdings zeichnen sich beide Kohorten durch eine vergleichsweise geringe Fallzahl aus, was bei den Niedrigrisikogruppen nach POLAR (unteres Quartil) und Stratifizierung nach RT zu kleinen Zahlen von Rezidiven in manchen Subgruppen führt. Zudem erhielten die Patienten in der BCG91-RT-Gruppe keine Systemtherapie, was die Auslegung der Studienergebnisse im Kontext heutiger therapeutischer Standards mit insgesamt niedrigeren LRR erheblich erschwert.
Mit Studien wie unter anderem PRIME II wurden Deeskalationsoptionen geprüft [
2]. Allerdings passiert dies hier anhand klassischer Parameter wie der Tumorgröße, des Alters und der Tumorbiologie unter Einbeziehung einer adjuvanten endokrinen Therapie.
Multigentests, wie MammaPrint, Oncotype DX oder PAM50, finden bereits Anwendung bei der Entscheidung über die Durchführung der Systemtherapie. In Kombination mit klassischen klinisch-pathologischen Instrumenten ergänzen neue Genexpressionsanalysen die adjuvante Behandlungsentscheidung für einzelne Patientinnen, wenn der Nutzen einer Chemotherapie unklar ist [
3,
4]. Das Weglassen der RT auf Basis des POLAR-Profils scheint aber ohne weitere Validierung noch zu riskant.
Zusammenfassend bleibt im Rahmen des brusterhaltenden Vorgehens die Strahlentherapie leitlinienetablierter Standard. Neue molekulargenetische Ansätze zur Präzisierung der Indikation sind interessant, müssen aktuell allerdings weiterhin mit einer gewissen Vorsicht betrachtet werden [
5].
Fazit
Moderne Multigentests und personalisierte Strahlentherapieansätze bieten die Vorhersage der Strahlentherapieeffekte. Eine weitere Validierung in prospektiven Studien oder Registrierungskohorten ist jedoch notwendig, um die tatsächliche Wirkung multidisziplinärer Therapien zu bestätigen und die Versorgung von Mammakarzinompatientinnen zu verbessern.
Adrianna Monika Cieslak, Mannheim
Mathias Alexander Sonnhoff, Hannover
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