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Open Access 14.05.2024 | Strahlentherapie | Literatur kommentiert

Validierung des genomischen Profils zur personalisierten Behandlung des Mammakarzinoms: POLAR-Studie

verfasst von: Adrianna Monika Cieslak, Mathias Alexander Sonnhoff

Erschienen in: Strahlentherapie und Onkologie

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Originalpublikation

Sjöström M, Fyles A, Liu FF, McCready D, Shi W, Rey-McIntyre K, Chang SL, Feng FY, Speers CW, Pierce LJ et al (2023) Development and Validation of a Genomic Profile for the Omission of Local Adjuvant Radiation in Breast Cancer. J Clin Oncol 41:1533–1540, https://​doi.​org/​10.​1200/​JCO.​22.​00655.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Hintergrund
Die adjuvante Strahlentherapie (RT) nach brusterhaltender Operation zur Reduktion der lokalen Rezidivrate (LRR) ist ein in den Leitlinien etablierter Standard. Auch ohne Strahlentherapie entwickelt allerdings nur eine Minderheit der Low-risk-Patientinnen ein Lokalrezidiv. In der vorliegenden Studie wurde ein genetisches Profil entwickelt, um das Rezidivrisiko zu bestimmen und den Nutzen der adjuvanten RT für Patientinnen mit niedrigem bzw. hohem Rezidivrisiko vorherzusagen [1].
Patienten und Methodik
Die Studie verwendete genetische Signaturen aus der schwedischen randomisierten Studie SweBCG91-RT zur Wirkung der adjuvanten Strahlentherapie versus nur Operation (Alter ≤ 76, medianes Alter = 60, T1–2N0M0, keine adjuvante Systemtherapie). Die Patientinnen wurden in eine Trainingskohorte (n = 243) und eine Validierungskohorte (n = 354) aufgeteilt. Eine kanadische Kohorte vom Princess Margaret Hospital (n = 132, Alter ≥ 50, T1–2N0M0, adjuvantes Tamoxifen) wurde als zweite Validierungskohorte eingesetzt. In beide Kohorten waren nur Patientinnen mit positivem Östrogenrezeptor und negativem HER2-Rezeptor aufgenommen worden.
Um ein möglichst robustes Genprofil für LRR zu identifizieren, wurde eine Gen-Set-Anreicherungsanalyse (GSEA) an dem Anteil der SweBCG91-Trainingskohorte durchgeführt, der keine adjuvante Strahlentherapie erhielt (n = 131). Ein hohes Risiko war mit Zellzyklus und Proliferation und ein niedriges Risiko mit Genwegen des Immunsystems verbunden. Anhand eines elastischen Netzregressionsmodells wurde ein Genprofil POLAR („profile for the omission of local adjuvant radiation“) mit 16 Genen identifiziert, welches Patientinnen nach hohem bzw. niedrigem Risiko für ein Lokalrezidiv unterteilen konnte.
Ergebnisse
In der SweBCG91-RT-Validierungskohorte war das POLAR-Profil signifikant prognostisch für das Auftreten eines Lokalrezidivs bei Patientinnen, die keine Strahlentherapie erhielten, sowohl in der univariablen (HR = 1,6 [1,2–2,1], p < 0,001) als auch in der multivariablen Auswertung (HR = 1,6 [1,2–2,1], p = 0,002). In der Princess-Margaret-Validierungskohorte war das Ergebnis der Vorhersage nicht signifikant für Patientinnen, die Tamoxifen ohne Strahlentherapie erhielten. In der kombinierten Analyse beider Kohorten war das POLAR-Profil sowohl im univariablen (HR = 1,6 [1,3–2,0], p = 0,0001) als auch im multivariablen Modell (HR = 1,5 [1,1–1,9], p = 0,006) signifikant.
Patientinnen der SweBCG91-Kohorte, die im POLAR-Profil mit einem niedrigen Risiko eingestuft wurden, hatten eine kumulative Inzidenz von LRR von unter 10% nach 10 Jahren, unabhängig davon, ob sie Strahlentherapie erhielten oder nicht: 6% [2–16] ohne und 5% [1–13] mit RT bei einer HR von 1,1 [0,39–3,4]. Der Nutzen der Strahlentherapie war in dieser Gruppe statistisch nicht signifikant (p = 0,81). Bei den Patientinnen mit einem hohen Risiko nach POLAR-Auswertung führte die Strahlentherapie zu einer signifikanten Reduktion des lokalen Rückfallrisikos (10-Jahres-Inzidenz von LRR ohne RT vs. RT, HR = 0,43 [0,24–0,78], p = 0,0055).
In der Kohorte mit Patientinnen der Princess-Margaret-Studie, die nach brusterhaltender Operation nur mit Tamoxifen behandelt wurden und von POLAR als „niedriges“ Risiko identifiziert wurden, betrug die kumulative Inzidenz der LRR nach 10 Jahren ohne RT 7% (0–27) und mit RT 13% (2–34). Bei Patientinnen mit „hohem“ Risiko betrug die kumulative Inzidenz von LRR nach 10 Jahren ohne RT 22% (10–36) und mit RT 8% (2–20), mit einem signifikanten Nutzen der Strahlentherapie (HR 0,25 [0,07–0,92], p = 0,038).
Schlussfolgerungen der Autoren
Die Autoren sehen die genetische Analyse als Möglichkeit zur Identifizierung der Patientinnen mit niedrigem Risko und der Möglichkeit zum Verzicht auf die adjuvante Strahlentherapie. Ein solches prätherapeutisches Screening eröffne die Möglichkeit der Therapiedeeskalation und Kostenreduktion.

Kommentar

Die Studie nutzt vorhandene Daten aus prospektiven Studien mit langer Nachbeobachtungszeit zur Wirkung der adjuvanten Strahlentherapie auf die Rezidivrate. Die Methode zur Entwicklung des prognostischen Genexpressionsprofils verbessert höchstwahrscheinlich dessen Robustheit deutlich. So war das POLAR-Genprofil signifikant für die Prognose der Rezidivraten im unbestrahlten Teil der schwedischen Validierungskohorte, während ein ähnlicher Trend in der kanadischen Kohorte keine Signifikanz erreichte. In beiden Validierungskohorten profitierten Patientinnen mit hohem Rezidivrisiko von der RT, nicht aber die Patientinnen mit niedrigem Rezidivrisiko.
Allerdings zeichnen sich beide Kohorten durch eine vergleichsweise geringe Fallzahl aus, was bei den Niedrigrisikogruppen nach POLAR (unteres Quartil) und Stratifizierung nach RT zu kleinen Zahlen von Rezidiven in manchen Subgruppen führt. Zudem erhielten die Patienten in der BCG91-RT-Gruppe keine Systemtherapie, was die Auslegung der Studienergebnisse im Kontext heutiger therapeutischer Standards mit insgesamt niedrigeren LRR erheblich erschwert.
Mit Studien wie unter anderem PRIME II wurden Deeskalationsoptionen geprüft [2]. Allerdings passiert dies hier anhand klassischer Parameter wie der Tumorgröße, des Alters und der Tumorbiologie unter Einbeziehung einer adjuvanten endokrinen Therapie.
Multigentests, wie MammaPrint, Oncotype DX oder PAM50, finden bereits Anwendung bei der Entscheidung über die Durchführung der Systemtherapie. In Kombination mit klassischen klinisch-pathologischen Instrumenten ergänzen neue Genexpressionsanalysen die adjuvante Behandlungsentscheidung für einzelne Patientinnen, wenn der Nutzen einer Chemotherapie unklar ist [3, 4]. Das Weglassen der RT auf Basis des POLAR-Profils scheint aber ohne weitere Validierung noch zu riskant.
Zusammenfassend bleibt im Rahmen des brusterhaltenden Vorgehens die Strahlentherapie leitlinienetablierter Standard. Neue molekulargenetische Ansätze zur Präzisierung der Indikation sind interessant, müssen aktuell allerdings weiterhin mit einer gewissen Vorsicht betrachtet werden [5].

Fazit

Moderne Multigentests und personalisierte Strahlentherapieansätze bieten die Vorhersage der Strahlentherapieeffekte. Eine weitere Validierung in prospektiven Studien oder Registrierungskohorten ist jedoch notwendig, um die tatsächliche Wirkung multidisziplinärer Therapien zu bestätigen und die Versorgung von Mammakarzinompatientinnen zu verbessern.
Adrianna Monika Cieslak, Mannheim
Mathias Alexander Sonnhoff, Hannover

Danksagung

Die Autoren danken den Kollegen PD Dr. Carsten Herskind und Prof. Frank A. Giordano für wertvolle Hinweise.

Interessenkonflikt

A.M. Cieslak und M.A. Sonnhoff geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
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Strahlentherapie und Onkologie

Print-Titel

•Übersichten, Originalien, Kasuistiken

•Kommentierte Literatur aus der Radioonkologie, Strahlenbiologie und -physik

Literatur
3.
Metadaten
Titel
Validierung des genomischen Profils zur personalisierten Behandlung des Mammakarzinoms: POLAR-Studie
verfasst von
Adrianna Monika Cieslak
Mathias Alexander Sonnhoff
Publikationsdatum
14.05.2024
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Strahlentherapie und Onkologie
Print ISSN: 0179-7158
Elektronische ISSN: 1439-099X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00066-024-02243-5

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